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Tagebuch J.P. Kremer in Auschwitz (übernahme von www.verzet.be) Print (7p) |
Français Le Journal de J.P. Kremer Nederlands: Dagboek J.P. Kremer |
Besprechung in Maxime Steinberg, Les yeux du témoin et le regard du borgne |
8 August 1942 Vom 15.8.42 bis zur
Beendigung der Semesterferien zum SS-Lazarett Prag kommandiert.
Von Dresden ab schönes
sonniges Wetter. Vom Hauptbahnhof mit der Strassenbahn nach dem
SS-Lazarett Podol und Vorstellung beim Chef, Sturmbannführer Dr.
Fietsch. Unterbringung in einem Patientenzimmer im 3. Stock (No.344). Ärzte
etc. Adjutant: Hstf. Koebel, Apotheker, Verwaltungschef: Stubf. Dorn,
Chirurgie: Stubf. Winne aus Danzig, Liekschüler, Innere: Stubf. Leppel
aus Köln, Haut: Obstuf. Inden aus Düsseldorf, Augen: Oberscharf.
Frederking aus Langendreer, Röntgen: Obstuf. Jung aus Aachen, Nerven:
Obstuf. Jansen, 20 August 1942 Kasinoabend aus den alten Weinbeständen und gleichzeitig Arzt vom Dienst. 21 August 1942 Bestellung einer SS-Führer-Mütze
von der Reichskleiderkasse der Schutzstaffel in Berlin durch Boten, der
aber nichts erreicht. 24 August 1942 Papier, Brille und Gürtel
gekauft. Mein Zimmerkamerad (Patient) Ustuf. Fritz Joachim aus St.Andrä,
Post St.Ruprecht bei Villach (Kärnten) heute nach Hohenlychen verlegt.
Zimmer 464. 27August 1942 Brigadeführer Gentzken zu Besuch auf der Durchfahrt nach Karlsbad im Lazarett. Redete von einer Desavouierung des Intellektualismus namentlich durch Goebbels, von einer allmählichen Verödung der Hochschulen und von einem Ministerium für Bevölkerungspolitik. 28 Augustus 1942 Zum Mützeneinkauf nach Berlin geschickt, werde ich beim Weggehen von der Aufnahme informiert, dass der Führer vom Dienst mich zu sprechen wünscht. Dieser teilt mir im Auftrage von Hstuf. Koebel mit, dass ich nicht nach Berlin reisen soll. 29 August 1942 Kommandierung lt. F.L.HSSZ 2150 28.8. ..... 1833 No.1565 zum KZ Auschwitz, da angeblich dort ein Arzt wegen Krankheit ausgefallen ist. 30 August 1942 Abfahrt Prag 8 15 über Böhmisch Trübau, Olmütz, Prerau, Oderberg. Ankunft im KL Auschwitz 17.36. Im Lager wegen zahlreicher Infektionskrankheiten (Fleckfieber, Malaria, Durchfälle) Quarantäne. (…) Erhalte streng geheimen Instruktionsbefehl durch (…) den Standortarzt Hauptsturmführer Uhlenbrock und werde im Haus der Waffen-SS in einem Hotelzimmer (26) 31 August 1942 Tropenklima bei 38°im Schatten, Staub und unzählige Fliegen! Verpflegung im Führerheim ausgezeichnet. Heute abend gabs z.B. saure Entenleber für 0.40 RM, dazu gefüllte Tomaten, Tomatensalat usw. Wasser ist verseucht, dafür trinkt man Selterswasser, das unentgeltlich verabfolgt wird (Mattoni). Erste Impfung gegen Flecktyphus. Photographische Aufnahme für den Lagerausweis. 1 September 1942 Von Berlin schriftlich Führermütze, Koppel und Hosenträger angefordert. Nachmittags bei der Vergasung eines Blocks mit Zyclon B gegen die Läuse. 2 September 1942 Zum 1. Male um 3 Uhr früh bei einer Sonderaktion zugegen. Im Vergleich hierzu erscheint mir das Dante'sche Inferno fast wie eine Komödie. Umsonst wird Auschwitz nicht das Lager der Vernichtung genannt! 3 September 1942 Zum 1. Male an den hier im Lager jeden befallenden Durchfällen mit Erbrechen und kolikartigen anfallsweisen Schmerzen erkrankt. Da ich keinen Tropfen Wasser getrunken, kann es hieran nicht liegen. Auch das Brot kann es nicht schuld sein, da auch solche erkranken die nur Weissbrot (Diät) zu sich genommen haben. Höchstwahrscheinlich liegt's an dem ungesunden kontinentalen und sehr trockenen Tropenklima mit seinen Staub- und Ungeziefermassen (Fliegen). 4 September 1942 Gegen die Durchfälle: 1 Tag Schleimsuppen und Pfefferminztee, dazu Diät für eine Woche. Zwischendurch Kohle und Tannalbin. Schon erhebliche Besserung. 5 September 1942 Heute nachmittag bei
einer Sonderaktion aus dem EKL. (Muselmänner): das Schrecklichste der
Schrecken. Hschf. Thilo - Truppenarzt - hat Recht, wenn er mir heute
sagte, wir befänden uns hier am anus mundi. Abends gegen 8 Uhr wieder
bei einer Sonderaktion aus Holland. Wegen der dabei abfallenden
Sonderverpflegung, bestehend aus einem fünftel Liter Schnaps, 5
Zigaretten, 6 September 1942 Heute Sonntag
ausgezeichnetes Mittagessen: Tomatensuppe, 1/2 Huhn mit Kartoffeln und
Rotkohl ( 7 September
1942 9 September 1942 Heute früh erhalte
ich von meinem Rechtsanwalt in Münster, Prof.Dr. Hallermann, die höchst
erfreuliche Mitteilung, dass ich am 1. d.M. von meiner Frau geschieden
bin. [Randbemerkung: … sehe wieder Farben; ein schwarzer Vorhang ist
von meinem Leben weggezogen!] Später als Arzt bei der Ausführung der
Prügelstrafe an 8 Häftlingen und bei einer Erschiessung durch
Kleinkaliber zugegen. 10 September 1942 Morgens bei einer Sonderaktion zugegen (5. Mal). 11 September 1942 Heute Obersturmbannführer Lolling im Lager, bei dessen Vorstellung ich erst erfuhr, dass ich Hauptscharführer Kitt vertrete, der jetzt zur Erholung auf dem Obersalzberg sich befindet. 14 September 1942 Zum 2. Male die Auschwitzer Krankheit; Temperatur 37.8. Heute die 3. und damit letzte Spritze gegen Fleckfieber erhalten. 17 September In Berlin bei der Kleiderkasse Allwettermantel bestellt nach Schneidermassen: Bis Taille 48, Ganze Länge 133, Halber Rücken 22, Bis Ellenbogen 51, Ganze Ärmellänge 81, Oberweite 107, Taillenweite 100, Gesäss 124. Uniformbezugsschein dafür beigegeben, d.h. für einen Uniform-Wetterschutzmantel. Heute mit Dr. Meyer das Frauenlager Birkenau besucht. 20 September 1942 Heute Sonntagnachmittag von 3-6 Uhr Konzert der Häftlingskapelle in herrlichem Sonnenschein angehört: Kapellmeister Dirigent der Warschauer Staatsoper. 80 Musiker, Mittags gabs Schweinebraten, abends gebackene Schleie. 21 September 1942 Wegen Otto an das Polizeipräsidium Köln (Abt. Kriminalpolizei) geschrieben. Abends Entenklein. Dr. Meyer erzählt mir von einer Vererbung eines Traumas (Nase) in der Familie seines Schwiegervaters. 23 September 1942 Heute Nacht bei der 6. und 7. Sonderaktion. Morgens ist Obergruppenführer Pohl mit Gefolge im Hause der Waffen-SS eingetroffen. Vor der Tür steht eine Posten, welcher als erster seinen Präsentiergriff vor mir macht. Abends um 20 Uhr Abendessen mit Oberscharführer Pohl im Führerheim, ein wahres Festessen. Es gab gebackenen Hecht, soviel jeder wünschte, echten Bohnenkaffee, ausgezeichnetes Bier und belegte Brötchen. 25 September 1942 Gruppenführer Grawitz im Revier und Lager. Bei der Visite will er von mir wissen, was der Arzt bei allen Infektionskrankheiten zu allererst verordnet. Darauf weiss ich ihm wirklich keine Antwort zu geben, da sich das doch in dem Sinne nicht ganz allgemein angeben lässt. Und was meinte er? Man höre und staune: Ein Abführmittel! - Als wenn der Arzt bei jedem Schnupfen, jeder Angina, Diphtherie mit Abführmitteln eingreifen würde - geschweige denn beim Abdominaltyphus! So lässt sich die Medizin nun doch nicht schematisieren, ganz abgesehen davon, dass der junge unerfahrene Revierarzt noch einige Tage ein frisches perforiertes Magenulkus durch das blinde Verordnen von Rizinus um die Ecke gebracht hatte. 27 September 1942 Heute Sonntagnachmittag, 16-20 Uhr, Kameradschaftsabend im Gemeinschaftshaus mit Abendessen, Freibier und Rauchwaren. Rede des Kommandanten Höss und musikalische sowie theatralische Darbietungen. 28 September 1942 Heute Nacht bei der
8. Sonderaktion zugegen. Hstuf. Aumeier erzählt mir auf Befragen, dass
das KZ Auschwitz eine Länge von 3 Oktober 1942 Heute lebendfrisches Material von menschlicher Leber und Milz sowie vom Pankreas fixiert, dazu in absolutem Alkohol fixierte Läuse von Fleckfieberkranken. In Auschwitz liegen ganze Strassenzüge an Typhus darnieder. Habe mir deshalb heute früh die erste Serumspritze gegen Abdominaltyphus verabfolgen lassen. Obersturmführer Schwarz an Fleckfieber erkrankt! 6 Oktober 1942 (Lochung: unleserlich) Entress auf seinem Motorrad verunglückt. Verband angelegt, der Kommandant Höss vom Pferde gestürzt; Ostuf. Wirths noch immer nicht zurück. 7 Oktober 1942 Bei der 9. Sonderaktion (Auswärtige und Muselweiber) zugegen. Wirths wieder zur Stelle. Vertretung von Entress im Männerlager (Arztvorstellen usw.). 9 Oktober 1942 1. Paket mit 9 Pfd. Schmierseife mit 200.- M Wert nach Münster abgeschickt. Regenwetter. 10 Oktober 1942 Lebendfrisches Material von Leber, Milz und Pankreas entnommen und fixiert. Faksimilestempel von Häftlingen anfertigen lassen. Zum 1. Male das Zimmer eingeheizt. Noch immer Fälle von Flecktyphus und Typhusabdominalis. Lagersperre geht weiter. 11 Oktober 1942 Heute Sonntag gab's zu Mittag Hasenbraten - eine ganz dicke Keule - mit Mehlklösen und Rotkohl für 1.25 RM. 12 Oktober 1942 2. Schutzimpfung gegen Typhus; danach abends starke Allgemeinreaktion (Fieber). Trotzdem in der Nacht noch bei einer Sonderaktion aus Holland (1600 Personen) zugegen. Schauerliche Scene vor dem letzten Bunker! (Hössler!) Das war die 10. Sonderaktion. 13 Oktober 1942 Ustuf. Vetter angekommen. Stubaf. Cäsar ebenfalls an Typhus erkrankt, nachdem seine Frau vor einigen Tagen daran gestorben ist. Bei einem Strafvollzug zugegen und danach bei der Exekution von 7 polnischen Civilisten. 14 Oktober 1942 Wetterschutzmantel (Grösse 52) von Berlin erhalten, Preis 50.- RM. Auf Anregung vom Sanitätsamt beim Rektorat in Münster nach dem Beginn des Wintersemesters angefragt. 15 Oktober 1942 Heute Nacht ist draussen der erste Reif gefallen; nachmittags wieder sonnig und warm. Lebendfrisches Material von Leber, Milz und Pankreas von einem Ikterischen entnommen. 16 Oktober 1942 Heute Mittag das 2. Paket mit 300.- RM Wert an Frau Wizemann zum Aufheben abgeschickt. Seife, Seifenflocken, Nähmittel. Im Lager einen syndaktylen Juden photographieren lassen (Vater und Onkel dasselbe Leiden). 17 Oktober 1942 Bei einem Strafvollzug und 11 Exekutionen zugegen. Lebendfrisches Material von Leber, Milz und Pankreas nach Pilocarpininjektion entnommen. Mit Wirths nach Nikolai gefahren; vorher eröffnete er mir, dass ich länger bleiben müsse. 18 Oktober 1942 Bei nasskaltem Wetter heute Sonntagmorgen bei der 11. Sonderaktion (Holländer) zugegen. Grässliche Scenen bei drei Frauen, die ums nackte Leben flehen. 19 Oktober 1942 Mit Ostuf. Wirths und Frau Höss nach Kattowitz gefahren zum Einkauf von Schulterstücken für den Wettermantel. Zurück über Nikolai. 24 Oktober 1942 6 Frauen von der Budyer Revolte abgeimpft (Klehr). 25 Oktober 1942 Heute, Sonntag, bei wunderschönem Herbstwetter Radtour über Roisko nach Budy. Wilhelmy von seiner Fahrt nach Kroatien wieder zurück (Zwetschenschnaps). 31 Oktober 1942 Seit etwa 14 Tagen wunderschönes Herbstwetter, welches tagaus tagein im Garten des Hauses der Waffen-SS zu Sonnenbädern Veranlassung gibt. Selbst die klaren Nächte sind verhältnismässig mild. Weil Thilo und Meyer auf Heimaturlaub, bin ich mit den Funktionen des Truppenarztes betraut. Wegen notwendiger Reise zu meiner Dienstbehörde 5-tägigen Urlaub zum SS-Lazarett Prag beantragt. 1 November 1942 Heute, Sonntag, nach dem Revierdienst, hauptsächlich Blutentnahme in Venülen, um 13.01 von Auschwitz mit D-Zug nach Prag abgefahren. Unterwegs gibts Regen; der Zug ist überfüllt. Abends gegen 22.30 Uhr Ankunft in Prag, wo ich mich im Stockdunkeln über mehrere Strassenbahnen schliesslich bis zum SS-Lazarett vorarbeite und oben von meiner bereits bekannten Schwester auf einer "Ottomanne" zum Nachtlager verpackt wurde im Dienstzimmer von Dr. Schreiber. 6 November 1942 (..) Dauer der Fahrt Prag - Auschwitz über 9 Stunden. An Ort und Stelle begab ich mich sofort ins Führerheim, wo ich mich mal wieder so richtig rundherum satt ass. 8 November 1942 Heute Nacht bei 2 Sonderaktionen teilgenommen, bei regnerischem und trübem Herbstwetter (12. und 13.). Vormittags Hschaf. Kitt, einen aus Essen stammenden Schüler von mir, im Revier begrüsst. Nachmittags noch eine Sonderaktion, also die 14., die ich bisher mitgemacht habe. Abends gemütliches Zusammensein im Führerheim, von dem nunmehrigen Hstuf. Wirths eingeladen. Es gab bulgarischen Rotwein und kroatischen Zwetschenschnaps. 10 November 1942 Heute 1. leichter Schneefall und in der Nacht Frost. 13.November 1942. Lebendfrisches Material (Leber, Milz und Pankreas) von einem vorher photographierten stark atrophischen jüdischen Häftling von 18 Jahren entnommen: Fixiert wie stets, Leber und Milz in Carnoy sowie Pankreas in Zenker (Häftl.No. 68030). 14 November 1942 Heute, Sonnabend, Varietevorstellung im Gemeinschaftshause (ganz gross!). Besondere Freude erregten die tanzenden Hunde und die beiden auf Kommando krähenden Zwerghähne, der verpackte Mensch und die Radfahrgruppe. 15 November 1942 (Lochung: unleserliches Wort) bei einem Strafvollzug zugegen. 16 November 1942 Ein Paket Schmierseife (rund 12 Pfd.) mit 300.- RM Wert an Mia und Gretchen abgeschickt. 17 November 1942 Kleiner Koffer an Frau Wizemann abgeschickt (5. Paket) mit 300.- RM Wertangabe. Inhalt: (14 kg !) 2 Flaschen Konsumbranntwein, Vitamin- und Stärkungspräparate, Rasierklingen, Wasch- und Rasierseifen, Thermometer, Nagelzangen, Jodflaschen, Präparate in 90%igem Alkohol, Röntgenbilder, Lebertran, Schreibsachen, Umschläge, Parfüms, Stopfwolle, Nadeln, Zahnpulver usw., usw. Abends Schneegestöber, das die Strassen in Sumpf und Morast verwandelt hat. Vorbereitung zur morgigen Abfahrt nach Prag. Im Revier:..ambor, Brauner (oder Branner), Biedermann, Wilks, und im Krankenbau: Klehr und Scheppe (oder Scherpe?), alles alte "Stacheldrahtkämpfer" und "KZ-Hasen" .....scharführer O. schwätzt mir einen Bezugschein für eine Breecheshose ab. Der Apotheker, Hauptsturmführer Kroemer, hat sich bei der Bereitstellung der notwendigen Reagenzien stets sehr kameradschaftlich erwiesen. Sauther, der Zahnarzt, ist nun nach (Name: unleserlich) versetzt. 18 November 1942 Heute Mittag 13.20 über Oderberg, Mährisch-Ostrau (umsteigen), Prerau, Olmütz nach Prag abgefahren, wo ich um 22.11 eintraf und guten Anschluss zum Lazarett hatte. Hier sorgte Nachtschwester Anna, dass ich wieder mein früheres Zimmer beziehen konnte. 19 November 1942 Nach Meldung beim Chefarzt und Frühstück Abholung des Koffers vom Bahnhof und dann Mittagessen im "Deutschen Hause". Nachmittags Abgabe der mir leihweise überlassenen Uniformstücke an die Kammer und Packen der Koffer. 20 November 1942 Frühstück,
Verabschiedung vom stellv. Standortarzt Himstedt aus Hameln, Stubaf.
Matz aus Stettin, Stubaf. Küttner, Hschf. Dreddling, Ustuf. Fasching,
Hstuf. Koerber u.a. Ustuf. Jung, der Röntgenarzt, stellt mir schöne Röntgenaufnahmen
für meine Vorlesung in Aussicht. Nach Ausstellung des Fahrscheines wird
das Passagiergut zum Hibernerbahnhof gebracht. Abfahrt 16.13 über
Dresden, Leipzig, Hannover, Osnabrück. Ankunft in Münster 6.38. 24 November 1942 Zum 1. Male in der neuen Anatomiebaracke am Westring. |